Deutsche Kultur in Blumenau

 

„SERVAS ist eine weltweite Friedensorganisation, die versuchen will, durch persönliche Kontakte unter den Völkern der Erde ein besseres Verständnis zu schaffen. Weltweit öffnen mehr als 14 000 Gastgeber den SERVAS Reisenden ihre Türen, um für einige Tage einen Einblick in ihren Alltag zu geben.“

 

Servas International

Vor Beginn unserer Reise führten wir drei ein Aufnahmegespräch durch, um Mitglieder dieser Organisation werden zu können. So haben wir die Möglichkeit, während unserer Reise an verschiedenen Orten bei Servas-Hosts anzufragen, ob sie uns für einige Tage aufnehmen oder uns tagsüber etwas von ihrer Heimat zeigen würden.

Nach unserem zweiten Aufenthalt in São Paulo nutzten wir diese Möglichkeit zum ersten Mal. Nachdem wir uns von Maria verabschiedet hatten, ging es über Nacht mit dem Bus nach Blumenau, eine Stadt im Süden Brasiliens, einer Region, in der sich in der Vergangenheit viele deutsche Einwanderer ansiedelten.
Wir verbrachten dort drei Nächte bei der lokalen Servas-Host-List-Koordinatorin Dorly, die uns unter anderem nach Pomerode, in die deutscheste Stadt Brasiliens, begleitete. Nicht nur deswegen fühlten wir uns bei ihr sofort wie Zuhause, ihrer Meinung nach sind alle SERVAS Mitglieder wie Familie.

Das Stadtzentrum Blumenaus mit seinen Fachwerkhäusern war bereits in den Farben der Deutschlandflagge geschmückt und die Läden priesen ihr Angebot an Dirndl und Lederhosen an, da sich die Stadt auf das alljährliche Oktoberfest vorbereitete. Das zweitgrößte der Welt, nach München natürlich. So reisen während des ganzen Monats Leute aus ganz Brasilien nach Santa Catarina, um Bier zu trinken und Brezeln zu essen.

Natürlich wollten wir uns dieses Fest nicht entgehen lassen, weshalb wir an unserem letzten Abend mit unseren zweiten Servasfreunden zur Eröffnungsfeier gingen. In der Vila Germânica, einem Areal mit Fachwerkhäuschen, riesigen Tanzflächen und zwei großen Bühnen (allerdings keinen Bierbänken), das extra für dieses Event errichtet wurde, tanzten Brasilianer im Dirndl zu deutschen Kerwaschlagern, ohne ein Wort zu verstehen. Wir konnten nicht widerstehen, uns Brezeln zu kaufen, die wir hier erstaunlicherweise enorm vermissen. Allerdings wurden wir seltsam beäugt, da wir diese weder am Stiel essen noch in Schokolade tauchen wollten.

Aber nun nochmal drei Tage zurück zu unserer zweiten Servasbekanntschaft in Blumenau. Nachdem wir von Dorly erfahren hatten, dass die Frage nach einem öffentlichen Schwimmbad äußerst ungewöhnlich und ihr noch nie zuvor gestellt worden war, organisierte sie für uns eine Wanderung mit der Servasjugend, William (28) und seiner Freundin Carol (26). Bei diesen sollten wir auch die nächsten Tage verbringen. Vor allem die gemeinsamen Abende haben wir alle sehr genossen. Es wurde gemeinsam mit weiteren Freunden Pizza gebacken, Zungenbrecher gelernt und Musik gemacht. Da William Schlagzeuger einer Band ist und viele Instrumente besitzt, lag das sehr nahe. So fiel der Abschied allen ziemlich schwer.

Vielen lieben Dank Dorly, für die schönen Tage, die wir bei dir verbracht haben!

Und William, Carol, wir vermissen euch jetzt schon…

 

Umringt von Traumstränden

 

 

Unser nächstes Ziel: Florianópolis, oder besser gesagt “Floripa”, wie die Brasilianer die Stadt auf der “Ilha de Santa de Cataria” im Süden des Landes nennen, die vor allem bekannt für ihre vielen atemberaubende Strände ist. Als wir mit dem Bus im Zentrum ankamen, fuhren wir mit dem öffentlichen Bus weiter in den Norden zu unserem Hotel, welches wirklich direkt am Strand lag. Dieses Privileg haben wir auch gründlich ausgenutzt: Wir gingen Tag und Nacht baden, sonnten uns und wanderten ans Ende des Strandes, wo wir von den hohen Dünen aus auf das weite Meer blicken konnten. Am anderen Ende der Dünen gelangten wir an einen großen Surferstrand mit so hohen Wellen, dass die Surfer – unter denen sich richtige Profis befanden – im Wasser wie winzige schwarze Punkte aussahen.

Im Westen der Insel besuchten wir den Stadtteil “Santo Antonio de Lisboa”. Dessen aus Kopfsteinpflastern und kleinen putzigen Häusern bestehendes Zentrum ähnelt Lissabon tatsächlich ein wenig und hat sogar einen eigenen kleinen Hafen. Zum Mittagessen ging es weiter ins Stadtzentrum, wo wir im “Mercado Público de Florianópolis”, der unzählige Möglichkeiten an Essen zu bieten hat, bei Livemusik Spaghetti zu Mittag aßen. Als wir danach durch die Straßen schlenderten, konnten wir wieder eine der vielen Demos beobachten, die zur Zeit der Präsidentschaftswahlen hier in Brasilien stattfanden. Neben den Demonstranten sah man hier auch zahlreiche Menschen, die am Straßenrand Fahne schwenkend Werbung für ihren Kandidaten machten und im Fernsehen und Radio hörte man auch von nichts Anderem. Es gab sogar Snapchat-Filter mit Wahlwerbung!

Am dritten Tag in Floripa fuhren wir zu unserem nächsten Servas-Host Claudio. Claudio hat ein cooles Haus. Über ein Stockwerk an der Seite des Holzhauses gelangt man auf ein Lesenetz, das in den Raum hängt. Wir hatten wirklich Glück, dass Claudio so ein großer Fahrrad-Fan ist, denn so hatte er neben seinem eigenen noch drei weitere Räder, die er extra für uns wieder fahrtüchtig machte. Diese nutzten wir den ganzen nächsten Tag aus: Unsere Tour begann auf einem wunderschönen Radweg, der an der Küste der Insel bis hin zur Brücke, die Insel und Festland verbindet, entlang verlief und an der Küste des Festlandes endete, von wo aus wir die Insel nun von Weitem betrachten konnten. Am Nachmittag beschlossen wir, die Insel von Westen nach Osten zu überqueren. Zu unserem Pech hatte es angefangen zu regnen. Zusätzlich führte unser Weg in vielen Serpentinen mit einem super Ausblick auf den See der Insel und die Dünen der “Praia da Joaquina” dahinter, einem wunderschönen Surferstrand, der das Ziel unserer Tagestour war. Völlig nass, erschöpft und hungrig kamen wir am Abend bei Claudio an, der total überrascht und stolz darauf war, wie viele Kilometer wir heute mit den Fahrrädern zurückgelegt hatten…

An unserem letzten Tag in Florianópolis nutzten wir das tolle Badewetter an einem Strand im Süden der Insel aus. Direkt am Strand besuchten wir ein besonderes Restaurant (Bar do Arante), in dem jeder Besucher einen Zettel beschriften und an Wand oder Decke kleben kann.
So hängt das komplette Restaurant voller Zettel mit Grüßen aus aller Welt. Aufgrund unseres begrenzten Budgets, konnten wir uns zwar nur einen Saft leisten, aber dafür hängt dort nun ein Zettel mit Grüßen aus Nürnberg und einer Silhouette unserer Burg 🙂

 

Nun stand uns mal wieder ein schwerer Abschied bevor. Vielen Dank, Claudio, dass du uns so lieb aufgenommen hast und für die Fahrräder, das Lesenetz und die tollen Abende. Wir hoffen auf ein Wiedersehen, bei dem du uns deine noch besseren Deutschkenntnisse vorführen kannst!

 

Unsere erste Zugfahrt

 

Für unseren weiteren Plan wurde im Voraus gebucht. Doch am Morgen des Anreisetages erfuhren wir, dass dank eines Fehlers auf der Website, unsere Pousada, anders als gedacht, auf einer Insel liegt, die zu unserer Anreisezeit nicht mehr zu erreichen war. Nachdem wir erstmal in Panik ausgebrochen sind, zogen wir Claudio und seine Portugiesischkenntnisse zu Hilfe. “Wilkommen in Brasilien”, erklärte uns dieser erstmal, regelte die Stornierung und suchte mit uns ein neues Hostel im Stadtzentrum. Erstaunlich reibungslos konnten wir am Abend ins Hotel in Paranaguá einziehen, eine kleine Stadt in Paraná nahe Morretes.

Dank des Regens konnten wir die nahegelegenen Strände und die wohl paradiesische Insel “Ilha do mel” nicht genießen. Dafür wurde die Küche für Nudeln mit Tomatensoße und MikrowellenSchokoPopcorn genutzt, für deren portugiesische Anleitung nebenbei bemerkt auch ein geduldiger Hotelangestellter benötigt wird. Am Freitag war Feiertag: Kindertag. Familien waren Eis essen, an einigen Ecken gab es Zuckerwatte und die Busfahrpläne ließen uns 2 Stunden warten.

Es ging nach Morretes: Ein sehr kleines Städtchen, in dem nichts los ist – jedenfalls bis 15 Uhr. Da fährt nämlich vom Zugbahnhof der “Serra Verde Express” ab. Für uns ein Transportmittel mit Bonus, für Brasilianer wohl mehr eine Sightseeingattraktion und die in Brasilien einmalige Gelegenheit, Zug zu fahren. Mit dem Haufen aufgeregter Touristen war das Einsteigen das reinste Chaos, doch nach einer halben Stunde ging es los und der lange Zug tuckelte gemütlich durch die Berge, den Jungle und zu wunderschönen Panoramaausblicken – geschmückt und umrahmt von Wolken natürlich.

In Curitiba trafen wir auf Servas-Day Hosts, die keinen Platz zum Übernachten hatten, uns aber gerne die Stadt zeigten. Mit Oscar, Giovana, ihrer 4- jährigen Tochter Lara und deren riechender Barbiepuppe ging es in eine Kletterhalle, wo sich uns endlich die Chance bot, uns richtig auszutoben. Die Studentin Sophia zeigte uns die schönen Ecken der Millionenstadt: Den Feirinha Markt, den botanischen Garten und das Auge (Oscar Niemeyer Museum). Froh waren wir auch darum, als Abwechslung zum  Fastfood selbstgekochtes Essen von den Müttern serviert zu bekommen.

 

Vielen Dank Sophia, Oscar und Zugehörige, das ihr uns solch einen schönen und abwechslungsreichen Aufenthalt in Curitiba ermöglicht habt!

 

 

(Alma, Franka, Josefine)